



Tipps
Gut gemacht!"
– Diese Worte hören wir täglich auf Schulhöfen, bei Hausaufgaben und beim Familienabendessen. Sie wirken harmlos, sogar liebevoll. Doch hinter diesem positiven Feedback verbirgt sich eine komplexe Dynamik, die unsere Kinder langfristig schwächen kann, anstatt sie zu stärken.
Wenn unser achtjähriger Sohn endlich seine Schultasche packt oder unsere Tochter ihre Hausaufgaben ohne Murren erledigt, ist unser erster Impuls oft: "Super gemacht!" Doch was geschieht dabei, ganz ohne dass wir es beabsichtigen? Wir trainieren unsere Kinder darauf, ihre Selbstwahrnehmung an unsere Bewertung zu knüpfen. Aus "Ich bin stolz auf mich." wird "Mama ist stolz auf mich." – ein subtiler, aber entscheidender Unterschied.
Kinder, die ständig gelobt werden, können eine Abhängigkeit von äußerer Bestätigung entwickeln. In diesem Fall lernen sie, ihre eigenen Gefühle und Einschätzungen zu ignorieren und stattdessen nach den Reaktionen der Erwachsenen zu suchen. Das Ergebnis? Unsichere Kinder, die auch als Erwachsene noch darauf angewiesen sind, dass andere ihnen sagen, ob sie etwas gut gemacht haben.
Jedes Kind verdient es, sich authentisch über seine Erfolge zu freuen. Wenn unsere Tochter stolz ihr selbstgemaltes Bild zeigt oder unser Sohn begeistert von seinem gelösten Mathematikrätsel erzählt, dann ist das sein oder ihr Moment. Ein schnelles "Toll gemacht!" kann diese echte Freude überlagern und das Kind dazu bringen, nicht mehr auf das eigene Gefühl zu hören, sondern auf unsere Bewertung zu warten.
Besonders problematisch kann es werden, wenn Lob zur Manipulation wird. "Gut, dass du dein Zimmer aufgeräumt hast!" klingt freundlich, aber dahinter steht eine klare Botschaft: Du bekommst meine Anerkennung, wenn du tust, was ich will. Wir nutzen das natürliche Bedürfnis des Kindes nach Zuwendung, um bestimmte Verhaltensweisen zu verstärken. Das Kind lernt: Liebe und Wertschätzung sind an Bedingungen geknüpft. Diese bedingte Anerkennung ist das Gegenteil von der bedingungslosen Liebe, die Kinder brauchen.
Kinder, die häufig für bestimmte Verhaltensweisen gelobt werden, verlieren oft das natürliche Interesse an diesen Tätigkeiten. Auch der Erziehungsforscher Alfie Kohn stellte fest: Das Kind, das für seine ordentliche Handschrift gelobt wird, schreibt bald nur noch ordentlich, um das Lob zu bekommen, nicht aus eigenem Antrieb oder Stolz auf saubere Arbeit.1
Echte Motivation kommt von innen. Wenn wir unsere Kinder ständig bewerten, untergraben wir ihre Fähigkeit, selbst zu entscheiden, was ihnen wichtig ist und woran sie Freude haben.
Statt "Gut gemacht!" können wir beschreibend reagieren: "Ich sehe, du hast alle deine Mathematikaufgaben gelöst." oder "Du hast heute lange an deinem Aufsatz gearbeitet." Diese Beobachtungen zeigen Aufmerksamkeit, ohne zu bewerten.
Noch wirkungsvoller sind Fragen: "Wie hast du dich gefühlt, als du die schwierige Aufgabe gelöst hattest?" oder "Was war heute beim Lernen besonders interessant für dich?" So helfen wir unseren Kindern, ihre eigenen Gefühle und Gedanken zu reflektieren.
Unsere Kinder brauchen keine ständige Bewertung. Sie brauchen unsere bedingungslose Unterstützung. Sie sollen spüren: "Ich bin wertvoll, weil ich bin – nicht, weil ich etwas Bestimmtes tue oder leiste." Das bedeutet nicht, dass wir unsere Freude und Begeisterung verbergen müssen. Aber wir können lernen, zwischen ehrlicher Anteilnahme und strategischem Lob zu unterscheiden. Echte Ermutigung stärkt das Kind von innen heraus, oberflächliches Lob lenkt seine Aufmerksamkeit nach außen.
Ich bin wertvoll, weil ich bin – nicht, weil ich etwas Bestimmtes tue oder leiste.”
Wenn wir unseren Kindern diese Art der Wertschätzung schenken, helfen wir ihnen dabei, selbstbewusste, innerlich motivierte Menschen zu werden, die ihr Leben aus eigener Kraft gestalten können.
1Vgl. Alfie Kohn: Liebe und Eigenständigkeit, Arbor Verlag 2010