Mann hält sich verzweifelt die Hand vors GesichtMann hält sich verzweifelt die Hand vors Gesicht
 
 

Lesedauer 5 min von Bündnis gegen Cybermobbing

Datum 06 Nov., 2023

Mobbing gegen Lehrkräfte

Checkliste mit Handlungsempfehlungen

Verena Müller ist Referentin beim Bündnis gegen Cybermobbing. Sie ist ausgebildete Selbstbehauptungs- und Resilienz-Trainerin, Kinder- und Jugendcoach und hilft Kindern und Jugendlichen dabei, ihr Selbstvertrauen zu stärken und für sich einzustehen. Verena hat im Rahmen des Eltern-Webinars "Cybermobbing - wie schütze ich mein Kind?" auf DURCHBLICKT! als Speakerin teilgenommen. Im folgenden Gastbeitrag teilt sie wissenswerte Informationen und Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte rund um die Thematik.

Mobbing ist ein gesellschaftliches Problem, das wir in erster Linie mit Schülerinnen und Schülern in Verbindung bringen. Allerdings sind nicht nur Schülerinnen und Schüler die Betroffenen, sondern zunehmend auch Lehrkräfte. Eine vom Verband Bildung und Erziehung (VBW) initiierte Studie1 zeigt, dass immer mehr Lehrkräfte Beleidigungen, Bloßstellungen im Internet und sogar körperliche Angriffe erleben müssen.

Was bedeutet Mobbing? 

Mobbing, wie es Heinz Leymann definiert hat, ist eine konfliktbelastete Kommunikation und beruht auf einem Machtgefälle. Es handelt sich um wiederholte, schädliche Handlungen, die mindestens einmal pro Woche stattfinden und die Beziehung der Beteiligten prägen. Cybermobbing ist eine besondere Form von Mobbing, bei der die Angriffe digital erfolgen.2

Was tun, bei Mobbing von Schülerinnen, Schülern, Kollegen oder Kolleginnen?


Es ist wichtig, dass Schulen präventive Maßnahmen ergreifen, um Mobbing zu verhindern. Unterrichtseinheiten zur Aufklärung über Mobbing und Cybermobbing können einen bedeutenden Beitrag zur Prävention leisten. Erfolge in dieser Hinsicht sind bereits in niederländischen Schulen zu sehen, wo die Aufklärung über Mobbing dazu beigetragen hat, die Anzahl der betroffenen Schülerinnen und Schüler bereits nach dem ersten Schuljahr um 26 % zu reduzieren.3

Frau sitzt verzweifelt am Schreibtisch vor Unterlagen

Mobbing im Lehrerzimmer – ein Tabuthema.

Mobbing unter Kolleginnen und Kollegen kann vielfältige Gründe haben. Wichtig ist es, solche Situationen zu erkennen und anzusprechen. Wenn Sie Zeuge von Mobbing werden, sollten Sie die Täterin/den Täter direkt konfrontieren und die betroffene Person ermutigen, das Gespräch mit der Schulleitung zu suchen. Hierfür haben wir folgende Tipps zusammengestellt:

  • Bestätigen Sie die Erfahrungen der betroffenen Person: Manchmal brauchen Menschen nur die Bestätigung, dass das, was sie erleben, tatsächlich Mobbing ist. Dies kann dazu beitragen, das Selbstvertrauen der betroffenen Person zu stärken und den ersten Schritt zur Lösung des Problems zu machen.
  • Zeigen Sie Empathie: Zeigen Sie Verständnis für die Gefühle und Bedenken der betroffenen Person. Machen Sie ihr klar, dass sie nicht allein ist, und dass Sie bereit sind, sie zu unterstützen.
  • Ermutigen Sie die betroffene Person, das Mobbing zu dokumentieren: spezifische Vorfälle von Mobbing, einschließlich Datum, Uhrzeit, Ort und Beteiligte notieren. Diese Aufzeichnungen können als Beweis dienen, wenn die betroffene Person sich dazu entscheidet, die Vorfälle zu melden.
  • Unterstützen Sie bei der Entwicklung eines Aktionsplans: Helfen Sie der betroffenen Person dabei, einen Plan zu erstellen, wie sie das Mobbing ansprechen kann. Dies könnte die Meldung an die Schulleitung oder das Gespräch mit dem Mobber einschließen.
  • Begleiten Sie die betroffene Person zu Gesprächen: Falls die betroffene Person es für angemessen hält, begleiten Sie sie zu Gesprächen mit der Schulleitung oder dem Mobber. Ihre Präsenz kann der betroffenen Person zusätzlichen Rückhalt geben.
  • Ermutigen Sie die Inanspruchnahme von professioneller Hilfe: In manchen Fällen kann es hilfreich sein, sich an eine/n Berater/in oder Psychologin oder Psychologen zu wenden. Diese Fachleute können Strategien zur Bewältigung von Mobbing bieten und bei Bedarf weitere Unterstützung vermitteln.
  • Bleiben Sie geduldig: Das Ansprechen von Mobbing ist ein Prozess, der Zeit braucht. Unterstützen Sie die betroffene Person weiterhin und zeigen Sie Verständnis, wenn sie sich entscheidet, in ihrem eigenen Tempo vorzugehen.

Hilfsangebote finden und Straftaten anzeigen

Es ist essentiell, dass Lehrkräfte, die Mobbingopfer werden, wissen, dass sie nicht allein sind und wo sie Unterstützung finden können.
Hier sind einige mögliche Schritte: 

  • Vertrauenspersonen ansprechen: Das Problem sollte man nicht für sich behalten. Sprechen Sie mit Vertrauenspersonen, sei es ein Kollege, eine Freundin oder ein Familienmitglied. Oft kann allein das Teilen des Problems Erleichterung bringen und neue Perspektiven eröffnen.
  • Schulleitung und Lehrerrat einbinden: Bei ernsthaften Fällen von Mobbing, wie beispielsweise wiederholte verbale Angriffe, physische Gewalt, soziale Ausgrenzung, Sabotage und Diskriminierung, sollten Sie die Schulleitung oder den Lehrerrat informieren. Diese Personen haben in der Regel die Autorität und die Ressourcen, um das Problemanzugehen und Lösungen zu finden.
  • Beratungsstellen und psychologische Hilfe: Es gibt viele Beratungsstellen, die sich auf Mobbing spezialisiert haben und Unterstützung anbieten. Psychologische Hilfe kann ebenfalls sinnvoll sein, um die psychischen Belastungen zu bewältigen. Einige Berufsverbände und Gewerkschaften bieten spezielle Beratungsangebote für Lehrkräfte an. Weiterführende Hilfsangebote finden Sie am Ende des Artikels. 
  • Rechtliche Schritte: In Fällen, in denen das Mobbing strafrechtlich relevante Handlungen wie körperliche Angriffe, Stalking oder schwerwiegende Beleidigungen umfasst, sollten Sie erwägen, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Es ist wichtig zu bedenken, dass Mobbing nicht nur ein schulisches, sondern auch ein rechtliches Problem sein kann, und dass es rechtliche Wege gibt, sich dagegen zu wehren.
  • Prävention und Aufklärung: Aufklärungsarbeit und präventive Maßnahmen können helfen, Mobbing zu verhindern, bevor es überhaupt beginnt. Schulen sollten regelmäßige Schulungen und Diskussionen zu diesem Thema durchführen, um ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen und Strategien für den Umgang damit zu entwickeln.

Welche rechtlichen Schritte kann ich einleiten und wann?

Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt. Es handelt sich dabei um Handlungen, die ernsthafte psychologische Auswirkungen haben und die auch rechtlich geahndet werden können. In Deutschland fallen viele Formen des Cybermobbings unter die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, etwa unter die Paragraphen 185 (Beleidigung), 186 (Üble Nachrede) oder 201a (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen).
Als Lehrkraft sind Sie natürlich keine Juristin oder Jurist. Zudem ist es nicht Ihre Aufgabe rechtliche Schritte einzuleiten. Allerdings sollten Sie wissen, dass es diese Möglichkeiten gibt und wann sie angebracht sein könnte. Wenn Sie vermuten, dass ein Schüler oder eine Schülerin von Cybermobbing betroffen ist, sollten Sie den Vorfall unbedingt melden. Wenden Sie sich an die Schulleitung und/oder die Schulsozialarbeit, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
In schwerwiegenden Fällen oder bei Unsicherheit können Sie und/oder die betroffene Familie sich auch an die Polizei wenden. Viele Polizeidienststellen verfügen über spezielle Beratungsstellen für Internetkriminalität, die Sie unterstützen und beraten können.
Denken Sie daran, dass es wichtig ist, jede Form von Mobbing ernst zu nehmen und zu melden, auch wenn es "nur" online stattfindet. 
Durch Information, Kommunikation und angemessenes Handeln können Sie dazu beitragen, eine sichere und respektvolle Online-Umgebung für Ihre Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Zusammen können wir einen Unterschied machen!

Fazit

Es ist wichtig, dass wir das Problem von Mobbing gegen Lehrkräfte ernst zu nehmen und sowohl auf Schüler-, Kollegen- als auch auf Elternebene wirksame Maßnahmen zu ergreifen. 

Weiterführende Hilfsangebote

  • Weisser Ring e.V., www.weisser-ring.de, Tel. 116006 (bundesweit erreichbar ohne Vorwahl)
  • Nummer gegen Kummer: Die Nummer gegen Kummer bietet eine kostenlose, anonyme und vertrauliche Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern an. Telefon: 116 111 oder Chat auf der Website: www.nummergegenkummer.de
  • Juuuport: Juuuport ist eine Online-Beratungsplattform von Jugendlichen für Jugendliche. Hier können Betroffene von Cybermobbing kostenlose Hilfe und Unterstützung von ausgebildeten Jugendlichen erhalten. Webseite: www.juuuport.de 
  • Elterntelefon: Das Elterntelefon der Nummer gegen Kummer bietet telefonische Beratung für Eltern an, die Fragen zu Erziehung, Kinder- und Jugendentwicklung oder auch zum Thema Cybermobbing haben. Telefon: 0800 111 0550 oder Chat auf der Website: www.nummergegenkummer.de 
  • Internet-ABC: Die Webseite "Internet-ABC" bietet eine Vielzahl von Informationen und Tipps rund um das Thema Internet und Medienkompetenz. Hier finden Kinder, Jugendliche und Eltern nützliche Informationen zum Thema Cybermobbing und wie man damit umgeht. Webseite: www.internet-abc.de
  • Klicksafe: Klicksafe ist eine europäische Initiative zur Förderung der Medienkompetenz im Umgang mit dem Internet. Die Webseite bietet eine Vielzahl von Informationen, Tipps und Materialien rund um das Thema Cybermobbing und Medienkompetenz. Webseite: www.klicksafe.de 
  • Initiative "Gutes Aufwachsen mit Medien": Die Initiative "Gutes Aufwachsen mit Medien" bietet eine umfassende Informations- und Beratungsplattform für Eltern, Kinder und Jugendliche zu den Themen Medienkompetenz und Cybermobbing. Website: www.gutes-aufwachsen-mit-medien.de 
  • Deutsche Kinder- und Jugendstiftung: Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung bietet eine Vielzahl von Projekten und Initiativen zur Förderung der Medienkompetenz und zum Schutz vor Cybermobbing an. Webseite: www.dkjs.de 
  • Bündnis gegen Cybermobbing e.V., www.buendnis-gegen-cybermobbing.de 

1Vgl. https://www.vbe.de/service/meinungsumfragen/gewalt-gegen-lehrkraefte-2016/; https://www.vbe.de/themen/gewalt-gegen-lehrkraefte/alles-zum-thema-gewalt-und-lehrkraefte & Umfrage von Beamtenbund und Tarifunion (dbb) (2022), Universität Gießen https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/schueler-gewalt-lehrer-problem-zunahme-statistik-100.html, Stand 24.07.2023.
2Vgl. Leymann, Heinz (1993): "Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann". Reinbek, S. 21 ff.
3Vgl. Huitsing, G., Lodder, G.M.A., Browne, W.J. et al. (2020): "A Large-Scale Replication of the Effectiveness of the KiVa Antibullying Program: a Randomized Controlled Trial in the Netherlands". Prev Sci 21, 627–638 (2020), https://doi.org/10.1007/s11121-020-01116-4

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