Medienbegleitung

25 Nov., 2025
4 Minuten
Kristin van der Meer

Angst vor KI – warum sie normal ist und wie wir damit umgehen können

Zwischen Faszination und Überforderung: Ein Mut-Mach-Artikel für Lehrkräfte

Kaum ein Thema hat die Bildungswelt in den letzten Monaten so bewegt wie Künstliche
Intelligenz. Täglich erscheinen neue Tools, Plattformen und vermeintliche „Gamechanger". Gleichzeitig ist da dieses Gefühl: Was, wenn ich das alles nicht mehr schaffe? Was bedeutet das für meinen Unterricht? Für meine Rolle?

Diese Sorge ist kein Zeichen von Rückschritt, sondern von Verantwortung. Eine aktuelle Studie im Rahmen des Deutschen Schulbarometers1 zeigt: 62 Prozent der befragten Lehrkräfte fühlen sich unsicher oder sehr unsicher beim Einsatz von KI-Tools. Das bedeutet: Sie sind nicht allein. Lehrkräfte befinden sich mitten in einem Wandel, der Schule, Lernen und Rollenbilder neu definiert.
 

Warum KI Angst machen kann und was dahintersteckt

Angst ist zunächst nichts Schlechtes. Sie zeigt, dass wir uns mit einem Thema auseinandersetzen, das uns betrifft. Doch KI kann besonders sensible Bereiche der pädagogischen Arbeit berühren:

  • Verlust von Kontrolle: KI scheint alles zu wissen. Was bleibt dann noch von meiner Expertise?
  • Verunsicherung durch Geschwindigkeit: Kaum hat man etwas verstanden, ist es schon wieder überholt.
  • Ethik und Verantwortung: Wie stelle ich sicher, dass Schülerinnen und Schüler KI verantwortungsvoll nutzen?
  • Bewertung und Fairness: Wie bewerte ich Lernleistungen, wenn KI beteiligt war?
  • Daten und Datenschutz: Was passiert mit den Inhalten, die ich oder meine Schülerinnen und Schüler in Tools eingeben?

Solche Fragen sind berechtigt und sie betreffen nicht nur Technik, sondern vor allem pädagogische Haltung. Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München2 zeigt: 46 Prozent der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen und sogar 49 Prozent an Grundschulen erklären, dass sie keine oder kaum Fähigkeiten für den Umgang mit KI besitzen.
 

Die gute Nachricht: Angst lässt sich in Handlung verwandeln

1. Wissen baut Sicherheit auf
Viele Ängste entstehen aus Unsicherheit. Wer versteht, wie KI funktioniert, kann sie besser einordnen. Eine einfache Faustregel hilft: KI kann Muster erkennen, aber sie versteht nichts. Das bedeutet: KI ist keine Konkurrenz im Denken, sondern ein Werkzeug im Prozess.
Ein praktischer Tipp: Fangen Sie klein an, zum Beispiel mit einem einzigen Einsatzszenario im Unterricht, das Ihnen selbst Nutzen bringt. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz3 empfiehlt, KI vor allem für die Unterrichtsvorbereitung, zur Erstellung differenzierter Lernmaterialien oder für Feedback-Prozesse zu nutzen.
 

2. Austausch statt Alleingang
KI lässt sich nicht im stillen Kämmerlein verstehen. Gemeinsames Ausprobieren im Kollegium oder mit den Schülerinnen und Schülern reduziert Unsicherheit enorm. 72 Prozent der Lehrkräfte wünschen sich4, mehr über die Anwendungsmöglichkeiten von KI im schulischen Kontext zu lernen.

Wenn Schülerinnen und Schüler merken, dass Lehrkräfte selbst noch lernen, entsteht Nähe statt Distanz. Der Satz „Ich probiere das heute zum ersten Mal mit euch aus" öffnet Räume für Dialog, Neugier und gemeinsames Entdecken.
 

3. Haltung statt Hype
Nicht jedes Tool ist sinnvoll. Und nicht jede Neuerung ist Fortschritt. Es geht nicht darum, alles zu nutzen, sondern das Richtige für die eigene Lerngruppe zu finden. KI kann zum Beispiel helfen, Lernmaterialien zu differenzieren, Reflexionsfragen zu formulieren oder Texte zu vereinfachen, nicht aber, menschliche Beziehung zu ersetzen.
 

Fragen Sie sich:

  • Unterstützt dieses Tool mein pädagogisches Ziel?
  • Fördert es Selbstständigkeit, Denken, Verständnis?
  • Oder ersetzt es nur Handlung durch Konsum?

 

4. Verantwortung bewusst teilen
Wir müssen nicht sofort alles wissen. Aber wir können gemeinsam Verantwortung übernehmen:

  • Schülerinnen und Schüler lernen, KI-Ergebnisse zu prüfen und zu reflektieren.
  • Lehrkräfte schaffen Räume, in denen über Chancen und Risiken gesprochen wird.
  • Schulleitungen sichern Strukturen und Fortbildungsmöglichkeiten.
  • Diese geteilte Verantwortung ist die Basis einer gesunden digitalen Schulkultur.

 

5. Vom Angstmodus in den Lernmodus
KI zwingt uns, neu zu lernen, aber das haben Lehrkräfte schon immer getan. Entscheidend ist der Perspektivwechsel: Nicht „KI ersetzt mich", sondern „KI entlastet mich, damit ich wieder mehr Zeit für das Wesentliche habe: die Kinder."

Praxisberichte zeigen5: KI kann Routinen übernehmen, Feedback strukturieren, Schreibaufgaben vorbereiten oder Materialien anpassen. Eine Lehrkraft aus Nordrhein-Westfalen berichtet: „ChatGPT erleichtert viele Aufgaben und reduziert die Arbeitszeit für zeitaufwändige Aufgabenerheblich." Dadurch bleibt mehr Raum für Beziehung, Beobachtung und Begleitung, das Herzstück pädagogischer Arbeit.

 

Fazit: Angst ist ein Signal, kein Hindernis

Künstliche Intelligenz verändert Schule. Aber sie nimmt Lehrkräften nichts von dem, was sie einzigartig macht: Empathie, Urteilskraft, Humor, Wärme, Beziehung. Wer Angst spürt, darf das. Sie zeigt, dass Bildung und Verantwortung wichtig sind.

Doch Schritt für Schritt kann aus Angst Vertrauen entstehen: durch Wissen, Austausch und eine klare Haltung. Wir alle stehen am Anfang eines Lernprozesses, nicht als Programmierinnen und Programmierer, sondern als Menschen, die Kindern zeigen, wie Lernen in der digitalen Welt gelingt.
 


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